Deinste. Der Chef des Spargelhofes, Christoph Werner, schickt die 250 Startläufer des 15. Deinster Spargellaufes auf die erste von fünf 5,5 Kilometer langen Runden. Der Ansturm auf die Traditionsveranstaltung ist ungebrochen. Wer in Deinste läuft, will Spaß haben.

Insgesamt 1250 Menschen gehen auf die Schleife, etwa genauso viele sind als Zuschauer dabei. Gemeinsam zählen die Startläufer den Countdown herunter. Bei Null zieht Christoph Werner den Abzug der uralten Startpistole mit dem rechten Zeigefinger durch. Das Teil ist ein Erbstück der Leichtathletik-Abteilung des VfL Stade. Der VfL um Spartenchef Matthias Meier ist für die sportliche Organisation der Kultveranstaltung seit ihrer Premiere im Jahr 2005 verantwortlich. Damals war alles noch kleiner. Nicht 250, nur 50 Teams, nicht auf dem weitläufigen Betriebsgelände, sondern am Hofladen die Straße runter.

Die Platzpatrone macht einen Höllenlärm. 250 Läufer sprinten um die besten Plätze an der Spitze des Feldes. Das Geläuf ist schwierig. Das anthrazitfarbene Kopfsteinpflaster leuchtet in der Sonne. Zuschauer und Läufer, die später an der Reihe sind, stehen Spalier und verabschieden die Starter in die Feldmark. Die Athleten laufen entlang von Spargel- und Erdbeerfeldern, Schatten spenden auf einem Teilstück nur ein paar Bäume.

Nach wenigen Sekunden kehrt kurz ein wenig Ruhe ein auf dem Betriebsgelände. Die Menschen schlurfen in Richtung Getränkestand, am Grill sind die ersten Nackensteaks fertig. Als der Renner gilt der gebratene Spargel. Der DJ sitzt in einer überdimensionalen Erdbeere und legt erst mal rockige Musik auf. Eine Samba-Band sorgt eine Ecke weiter für brasilianische Klänge. Längst beginnt die Party. Nichts anderes ist der Spargellauf in Deinste. „Ich habe viele neue Gesichter gesehen“, sagt Veranstalter Christoph Werner. Wegen des Pfingstfestes seien aber etwa 300 Menschen weniger nach Deinste gekommen, als in den vergangenen Jahren.

Mit ihrer Vision vom Volkslauf mit einem Spargel als Staffelstab haben die Werners seit 2005 viele Menschen zum Laufen gebracht. Jedes Jahr im März, wenn die Sonne rauskommt, beginnen die Leute die Runde zur Vorbereitung abzulaufen. In einer halben Stunde, oder mehr, ganz egal. Dass der Lauf irgendwann Kult wird, hatten die Werners nicht auf dem Zettel. Seit Jahren machen die Menschen die Nacht zum 1. April durch, um sich anzumelden. Wenn es am ersten Freitag im Juni dann endlich soweit ist, erleben sie die Natur, treiben Sport, arbeiten dabei im Team und feiern später sich und die Gleichgesinnten auf dem Betriebsgelände.

Es gibt sie, die Ambitionierten. Nach 17 Minuten und 35 Sekunden ist der Startläufer des Fischer-Mohr-Laufteams, Pascal Dethlefs, schon wieder da und übergibt den Spargel an Max Schröter. „3 Minuten, zehn im Schnitt auf 1000 Meter ist okay“, sagt Dethlefs. Steine auf der Piste hätten ein wenig gestört. Dethlefs sprintet vom Start weg an der Spitze des Feldes. Oder wie er es sagt: „Ich bin gleich weggepaced.“ Fischer-Mohr vereinigt die besten Läuferinnen und Läufer der Region. Da wundert es nicht, dass der fünfte Starter des Teams, Jakob Wilkens, den Sieg nach 1:34:04 Stunden nach Hause läuft. Platz zwei belegt ebenfalls ein Fischer-Mohr-Team, im Gesamtklassement auf Rang vier stellt der Seriensieger auch noch das beste Nachwuchsteam.

Den Spargellauf-Rekord hat die Mannschaft um Teamchef Udo Feindt um 14 Sekunden verpasst. „Es war zu heiß für einen neuen Rekord“, sagt Feindt. Gewonnen haben andere. Der Sieger des Spargellaufes wird traditionell gelost und in kulinarischen Geschenken aufgewogen. Zum Glück hat Marco Ahlfeld einen umgebauten VW-Bus mit genug Ladefläche. Das Team „Rocket“ vom Frauenhofer Institut hat gut 400 Kilo auf die Waage gebracht. Da mussten einige 7,5 Kilo schwere Kisten mit Spargel aufgehäuft werden, dazu Kisten mit Wein, Kartoffeln, Erdbeeren und ein großer Schinken.

Im Ziel haben die Physiotherapeuten der Hochschule 21 eine spartanische Massagepraxis aufgebaut. Sie kneten jeweils zu zweit die geschundenen Waden oder harten Oberschenkel der Läufer durch und sammeln dabei Geld für ihren Examensball Ende September. „Es ist eine Menge los“, sagt Annika Schwertlein.

Weit mehr als eine halbe Stunde später als die Ersten erreichen die Hobbyläufer das Ziel. Sie stammen aus Lauftreffs, vertreten Firmen aus der Nachbarschaft, Sportvereine, die Feuerwehr oder sind einfach nur Freunde. Einige tragen nicht einmal eine Uhr, weil ihnen die Zeiten egal sind. Manche überqueren mit hochrotem Kopf die Ziellinie, sind nassgeschwitzt, sie haben sich in Richtung Ziel den letzten Anstieg hochgequält. Aber sie lächeln.

Eine Mischung aus Breitensport und Hoffest

Michael Wiebusch hat zum ersten Mal am Spargellauf teilgenommen. Der Fußballer aus Stade startete mit Teamkameraden vom MTV Hammah, der in der gerade abgelaufenen Saison Meister in der Kreisliga geworden ist. So ambitioniert sind die Fußballer auch bei dem Spaßlauf angetreten. „Unser Ziel war den Kilometer unter 4:20 Minuten zu schaffen“, sagt Wiebusch, „aber wir hatten einen Totalausfall dabei. Der Name wird nicht genannt.“ Der MTV Hammah gehörte trotzdem zu einem der ersten Teams, die ins Ziel einliefen. Danach gab es das isotonische Getränk Bier. „Das ist hier eine super Sache, macht Spaß“, sagt Wiebusch.

Dirk Uhlmannsiek und Jens Klein von den Triathleten des Buxtehuder SV haben zum zehnten Mal am Spargellauf teilgenommen, und das mit einem ehrgeizigen Ziel: „Wir wollten noch mal unter die ersten zehn Teams kommen.“ Das haben sie mit Platz zehn geschafft. Die Läufer ihrer Staffel waren 53 bis 58 Jahre alt. Da sei die Leistung ganz ordentlich, so die beiden lächelnd. Der Spargellauf habe einen ganz besonderen Charme, sagt Uhlmannsiek. „Die Verbindung zwischen Breitensport und Hoffest ist genial, das macht einfach Spaß.“ Vor allem auch, weil man als Team läuft, so Klein.

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