Als der zweite, noch immer anhaltende Lockdown Ende Oktober im vergangenen Jahr kam, reagierte der VfL Stade für seine Kader-Athleten beziehungsweise leistungsorientierten Sportler schnell und erarbeitete einen strukturierten Wochenplan unter den vorgegebenen Corona-Auflagen. Anfangs waren neben den Leichtathleten auch die Rollkunstläufer und die Regionalliga-Basketballer mit im Boot. Mittlerweile sieht der Wochenplan auch Zeitfenster für Boxen, Judo und Breitensport in der Aerobic-Halle vor sowie für Handball und Badminton in der Sporthalle, zudem nutzen die Boxer und Handballer auch den Geräteraum. Wichtig dabei: Auf dem Gelände beziehungsweise Sportplatz sowie in den drei verfügbaren Räumen dürfen jeweils nur zwei Personen zeitgleich trainieren, zeitgleich sind also maximal acht Sportler inklusive Trainer auf der ansonsten geschlossenen Sportanlage des VfL Stade. „Wir sind dem VfL Stade super dankbar“, sagt Leichtathletik-Trainer Guido Clostermann, „es ist von der Vereinsführung nicht selbstverständlich, so ein Konzept umzusetzen.“ So wurde den Leichtathleten zum Beispiel auch im Winter die Flutlichtanlage im Stadion zur Verfügung gestellt.
16 Mädchen und zehn Jungs im Training
Am Sonntagnachmittag haben die Leichtathleten den Sportplatz, den Kraftraum und die Sporthalle für sich. Von den insgesamt 520 Mitgliedern in der Abteilung sind noch 16 leistungsorientierte Mädchen und zehn Jungs im Training. Guido Clostermann nutzt sein zweistündiges Zeitfenster, um mit Jannik Kühlke, Luis Wolf, Bennett Pauli und Philipp Zastrow auf die hochgesteckten Saisonziele hinzuarbeiten. Der Trainer kann sich dabei immer einen Athleten schnappen und beispielsweise im Stadion an den Techniken einer Disziplin feilen. Im Geräteraum können zwei Athleten an ihrer Kraft arbeiten, Krafttraining hat in dieser Phase der Vorbereitung sowieso gerade Priorität. In der Halle können zudem vorgegebene Übungen gemacht werden. „Die älteren Athleten können das schon alleine umsetzen“, sagt Clostermann. Die jüngsten Leichtathleten müssen derzeit anderweitig „bespaßt und bei Laune gehalten werden“. Das achtköpfige Trainerteam des VfL Stade versucht, mit allen Nachwuchsathleten im Kontakt zu bleiben. „Wir haben keinen Mehraufwand, müssen uns intern aber mehr abstimmen und koordinieren“, sagt Clostermann bezüglich der Zeitfenster im Wochenplan. Dass die leistungsorientierten Leichtathleten trotz des coronabedingten Lockdowns weitertrainieren durften, zahlt sich aus. „Ich habe selten so fitte Jungs zu diesem Zeitpunkt gesehen wie in diesem Jahr“, sagt Clostermann. Die Wettkämpfe fehlen natürlich. Umso mehr fiebern sie der Sommersaison entgegen.
Als Mehrkampf-Mannschaft haben die Jungs das klare Ziel Deutsche Meisterschaft der U 18 vor Augen, zudem wollen sie als amtierender Landesmeister über die 4 x 100 Meter den Titel verteidigen und auch bei der DM mitmischen. „Die Jungs sind als Zehnkämpfer alles super Allrounder“, sagt Trainer Guido Clostermann. Zudem gehört zum VfL-Team noch Jonas Hinsch, der seit August 2020 zum Sportinternat in Hannover geht.
„Das ist ein unglaubliches Privileg, auf das Gelände zu dürfen“
Luis Wolf (16) hat schon mit vier Jahren mit der Leichtathletik beim VfL Stade angefangen, er ist ein starker Mehrkämpfer. Hürdenlauf und Hochsprung gefallen ihm aber am besten. Er will sich vor allem in den Wurfdisziplinen verbessern und sich an den Stabhochsprung heranarbeiten. Umso wichtiger ist es für ihn, dass er trainieren kann. „Das ist ein unglaubliches Privileg, auf das Gelände zu dürfen“, sagt er, eine große Verbesserung zum ersten Lockdown. Anfang 2020 musste er für sich selbst auf Feldwegen trainieren. „Da merkt man den Unterschied zu jetzt ganz besonders.“ Luis Wolf sagt, dass der Sport ein elementarer Teil seines Alltags sei und er den Ausgleich brauche.
Jannik Kühlke (16) ist ein guter Sprinter. Er ist seit dreieinhalb Jahren bei der Leichtathletik und jetzt „extrem dankbar“, dass er weiter trainieren kann. Kühlke wie auch die anderen wissen um ihr Privileg und betonen, dass sie sehr wohl wahrnehmen, dass ihre Freunde, die anderen Sportarten nachgehen, kaum trainieren können. Sie selbst können im Schnitt zwei, drei Einheiten von vier möglichen in der Woche wahrnehmen. Vormittags sind sie durch schulischen Online-Unterricht verhindert. Kühlke bemerkt durch das derzeitige Training schon „extreme Verbesserungen“ bei sich. Bei den Landesmeisterschaften will er über die 100 m einen großen Sprung nach vorne machen.
Bennett Pauli (15) ist im Landeskader Speerwurf und amtierender Landesmeister im Speerwurf. Den Titel will er in diesem Jahr verteidigen, außerdem will er sich auch für die Deutsche Meisterschaft mit dem Speer qualifizieren. Er sei „sehr dankbar“, trainieren zu dürfen. Vor allem das Krafttraining mache sich bermerkbar. „Alle anderen aus meiner Klasse können nicht trainieren, obwohl sie in anderen Sportarten auch stark sind“, sagt Pauli.
Training als guter Ausgleich zum Online-Unterricht
Philipp Zastrow (16) betreibt seit 2009 Leichtathletik und hat seine Stärken in den Wurfdisziplinen. Er ist amtierender Landesmeister im Kugelstoßen. „Wenn es gut läuft, kann ich vier Mal in der Woche trainieren“, sagt er. Allerdings kommen ihm in den vormittäglichen Zeitfenstern oft die Videokonferenzen der Schule dazwischen, wie der Gymnasiast amüsiert sagt. Das Training sei ein guter Ausgleich. Müsste er durch den Online-Unterricht nur vorm Rechner sitzen, würde er „durchdrehen“. Da sie nur zu zweit trainieren dürfen, sind die Übungen effektiver, sagt Zastrow. „Allerdings ist das Training so weniger lustig.“
Zastrow bringt die Ambitionen der Leichtathleten des VfL Stade auf den Punkt. Die Zehnkampf-Mannschaft mit ihm, Luis Wolf und Jonas Hinsch sowie Backup Bennet Pauli will zur Deutschen Meisterschaft, ebenso wie die 4 x 100 Meter-Staffel, zu der Jannik Kühlke gehört. Er selbst möchte sich auch im Weitsprung für die DM qualifizieren. „Und bei den Landesmeisterschaften ein paar Titel zu holen, wäre auch ganz schön“, sagt Philipp Zastrow gut gelaunt.
Die Leichtathleten wissen, wie privilegiert sie sind, und können sich so auch ambitionierte Ziele setzen.
Quelle: Stader Tageblatt / von Jan Bröhan
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